Sich ändernde Bedürfnisse im Rettungsdienst-Alltag
Immer öfters wird der Rettungsdienst von Menschen angerufen, die leicht verletzt oder erkrankt sind. Die Auslastung von notfallmedizinischen Anlaufstellen nimmt zu, die Kosten steigen, das Personal ist überlastet.
Zudem sehen sich die Rettungsdienste immer häufiger mit chronisch kranken Patientinnen und Patienten konfrontiert. Psychosozial indizierte Einsätze aufgrund von Selbstpflegedefiziten im häuslichen Umfeld nehmen zu. Der Rettungswagen ist für solche Einsätze oftmals ungeeignet. Seine Aufbietung ist nicht ressourcenschonend.
Auf der einen Seite ist es offensichtlich, dass der «klassische» Rettungsdienst kaum die optimale Antwort für diese Anforderungen ist und sinnvoller zur Versorgung von körperlich schwer erkrankten oder verletzten Personen eingesetzt wird. Auf der anderen Seite gibt es offensichtlich einen Mangel an passenden und verfügbaren alternativen Angeboten für diese Fälle – sonst würde ja heute schon dorthin verwiesen.
Neuartiges Pilotprojekt
Dies führte uns dazu, gemeinsam mit den Rettungsdiensten von «Schutz & Rettung Zürich» und «Spital Bülach» bei der Zürcher Gesundheitsdirektion den Antrag für das Pilotprojekt «Präklinische Fachspezialisten (PFS)» einzureichen. Das Projekt wurde anfangs März genehmigt – vorerst bis Ende 2026.
In Fällen, bei denen sich bei der Notrufannahme abzeichnet, dass keine Hospitalisation nötig ist, wird kein Rettungswagen, sondern ein PFS-Fahrzeug geschickt. Dies kann dann zutrefen, wenn bei der Telefonabfrage Stichworte wie «unspezifische Schmerzen», «Durchfall / Erbrechen seit Kurzem», «psychiatrischer Notfall ohne Gefährdung», «Fieber», «Menstruationsbeschwerden» oder «Blutdruckprobleme ohne Symptome» resultieren.
Das Ziel eines PFS-Einsatzes ist es grundsätzlich, eine - meist unerwünschte - Hospitalisation zu vermeiden und stattdessen eine Behandlung vor Ort einzuleiten oder zumindest aufzugleisen. Dies kann z.B. eine Beratung zur Wundversorgung, die Aktivierung des sozialen Netzes, eine Überbrückung mit Schmerzmedikamenten oder das Vermitteln eines Hausarzttermins sein. Sobald das weitere Prozedere zur Zufriedenheit geklärt und organisiert ist, verabschiedet sich der PFS. Folge-Termine sind nicht vorgesehen.
Für die notwendige ausführliche Patientenbeurteilung, Triagierung und Behandlungsmöglichkeiten brauchen die PFS - dabei handelt es sich um erfahrene Rettungssanitäterinn und Rettungssanitäter - zusätzliche Fähigkeiten, die sie sich im Rahmen eines strukturierten und standardisierten Kompetenzerwerbs aneignen. Dieser umfasst ein CAS-Studium, verschiedene Praktika (z.B. Notfallstation, notfallärztlicher Dienst, hausärztliche Praxis, Spitex oder psychiatrisches Ambulatorium), interne Schulungen, Einsatzreflexionen sowie Inter- und Supervisionen. Total 1'800 Lernstunden über einen Zeitraum von zwei Jahren sind vorzuweisen.
Erweiterte Möglichkeiten vor Ort
Das PFS-Einsatzfahrzeug ist gegenüber dem Rettungswagen mit zusätzlichem Behandlungsmaterial für unter anderem Wundversorgungen, eine Einmal-Katheterisierung und Impfungen ausgestattet. Weiter sind Medikamente zur oralen Einnahme und ein Diagnostik-Laborgerät zur Ermittlung wichtiger Parameter vorhanden.
Es lässt sich zusammenfassend sagen: Präklinische Fachspezialisten sind bei medizinisch anspruchsvollen, aber nicht dringlichen Einsätzen geeignet. Und: Präklinische Fachspezialisten übernehmen eine hohe Verantwortung, wenn die Patientin oder der Patient zu Hause versorgt werden und keine Hospitalisation erfolgt.
Notrufzentrale entscheidet «Rettungswagen oder PFS»
Nicht der Hilfesuchende muss entscheiden, ob ein Rettungswagen oder ein PFS-Fahrzeug gebraucht wird. Es wird weiterhin die Notrufnummer 144 gewählt, worauf die Notrufzentrale über das richtige Einsatzmittel entscheidet: PFS, Rettungswagen oder Rettungswagen mit Notarzt - oder die Weiterleitung an andere geeignete Stellen wie z.B. den notfallärztlichen Dienst.
Der PFS-Start bei der Regio 144 AG erfolgte am 2. August 2024. Das Einsatzmittel PFS kommt seither in allen unseren Zürcher Versorgungsgemeinden zum Einsatz. Zu Beginn tagsüber von Montag bis Freitag. Im Jahr 2025 wird das Angebot voraussichtlich schrittweise auf 7 x 24 Stunden ausgebaut.